Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und –schuld.
Doch wandert mit und allen
der Stern der Gotteshuld
Beglänzt von seinem Lichte
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
(Jochen Klepper Dezember 1937)
Zahlreiche Gedichte Jochen Kleppers (* 22. März 1903, † 11. Dezember 1942) sind als Lieder vertont und im Evangelischen Gesangbuch zu finden. Auch das Adventslied Nr. 16, aus dem der obige Text stammt.
Jochen Klepper hatte kein einfaches Leben. Wegen der nationalsozialistischen Rassegesetze lebten er, seine Frau als Jüdin mit ihren zwei Töchtern in ständiger Unsicherheit und später auch in Todesängsten. Nur die ältere Stieftochter konnte sich retten. Vor drohender Zwangsscheidung der Ehe und Deportation beging die Familie gemeinsamen Suizid im Dezember 1942.
Jochen Klepper wird aller Wahrscheinlichkeit nach an Depression gelitten haben. Dieses kann insbesondere aus Tagebucheinträgen der 1940er Jahre gelesen werden. Seine Texte sparen das Dunkle nicht aus und führen häufig auch in sonst verborgene menschliche Gefühle und Fragestellungen. Auch dahin, wo es anfängt weh zu tun.
Vermutlich wird kaum jemand unter uns sein, den das zurückliegende Jahr 2024 nicht irgendwie besonders berührt oder angefasst hat. Sei es ohnehin aus persönlichen bzw. privaten Gründen, sei es wegen der sich zerrissen zeigenden gesellschaftlichen und politischen Situation in unserem Land und der ganzen Welt. Manches ist dabei auch von Ängsten bestimmt. Befeuert von Kriegsrhetorik und fehlender Krisenbewältigung. Sich von diesen Ängsten freizumachen ist eine Kunst. Darüber zu sprechen manchmal noch viel mehr.
Seit Jahren fordert der NEVAP e.V. im Konzert mit anderen Verbänden immer lauter und massiver werdend zur Wahrnehmung und ergebnisorientierten Beschäftigung mit der Pflegeproblematik durch Politik und Gesellschaft auf. Und doch scheint nicht viel Licht am Ende des Tunnels zu sein.
Weihnachten ist das Fest des Lichts, das Fest der Hoffnung mitten in der Dunkelheit. Doch wenn wir ehrlich sind, erleben wir auch an Weihnachten, dass Frustration, Leid, Schuld und Dunkelheit nicht einfach verschwinden. Der Krieg in der Welt, die Konflikte in unseren Familien, die vielen Herausforderungen unserer beruflichen Realität. All das bleibt auch zur Weihnachtszeit eine Realität.
Genau diese Realität spiegelt sich in der vierten Strophe des Liedes „Die Nacht ist vorgedrungen“ von Jochen Klepper wider. Wie schon gesagt war er kein Dichter, der in einer heilen Welt lebte. Er war ein Mann, der selbst in tiefster Dunkelheit stand und trotzdem Worte des Glaubens und der Hoffnung fand.
Als Christ und Schriftsteller war er zutiefst geprägt von seinem Glauben, aber auch von den Herausforderungen, die das Dritte Reich für ihn mit sich brachte. Doch bis zuletzt hielt er an der Gewissheit fest, dass Christus das Licht ist, das auch in der tiefsten Dunkelheit leuchtet.
Noch „manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld“. Klepper verschweigt nicht die Realitäten in dieser Welt. Er hat sie selbst erlebt, und er hat sie in seinem Glauben ernst genommen. Doch mitten in diese Dunkelheit hinein leuchtet der „Stern der Gotteshuld“.
Dieser Stern erinnert uns an den Stern von Bethlehem, der die Menschen in einen schmutzigen Stall führt. Dieser Stern ist ein Zeichen dafür, dass Gott uns nicht allein lässt. Weihnachten bedeutet: Gott kommt zu uns. Er unsere Dunkelheit auf sich. Das Kind in der Krippe ist der Retter, der uns durch die Nacht hindurch trägt.
So lade ich Sie ein, sich in diesem Weihnachtsfest nicht nur neu von diesem Licht beschenken zu lassen. Wir dürfen auch mutig und trotzig sein. Besonders auch dann, wenn es um unsere wichtige Arbeit geht. Das DEVAP Papier „Trotzdem Pflege“ ist deshalb auch unter den letzten Vers des 31. Psalms gestellt: „Seid stark und fasset Mut, alle, die ihr auf den Herrn hofft!“
Unsere Hoffnung sei ein Licht, das nicht blendet, sondern wärmt. Ein Licht, das unseren Weg erhellt, selbst wenn die Nacht noch dunkel ist. Mögen wir alle dieses Licht in unsere Herzen aufnehmen, damit es in uns und durch uns leuchtet – in unsere Familien, unsere Berufe und diese Welt hinein.
Mit den besten Wünschen für eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.
Alles Gute für das kommende Jahr 2025.
Sven Schumacher
Vorstandsvorsitzender