Pflege neu denken - Pflegeversicherung umbauen

Werkstattgespräch am 16. Januar in Hannover

v.l.: Frank Pipenbrink (NEVAP), Hans-Joachim Lenke (Vorstand DW Niedersachsen), Anna Leonhardi (DEVAP), Christian Sundermann (Vorstand NEVAP), Dr. Bodo de Vries (Vorstand DEVAP), Dunja Wörthmann (Dachstiftung Diakonie / Foto: Ines Goetsch
v.l.: Frank Pipenbrink (NEVAP), Hans-Joachim Lenke (Vorstand DW Niedersachsen), Anna Leonhardi (DEVAP), Christian Sundermann (Vorstand NEVAP), Dr. Bodo de Vries (Vorstand DEVAP), Dunja Wörthmann (Dachstiftung Diakonie / Foto: Ines Goetsch

Bei einer gemeinsamen Fachveranstaltung diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) mit Vorstand und Mitgliedern des Niedersächsischen Evangelischen Verbandes für Altenhilfe und Pflege (NEVAP) und der Landesdiakonischen Werke  über die Zukunft der Pflegeversicherung.

Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass ein zügiger Umbau der Pflegeversicherung notwendig sei, um Zukunftserfordernissen standzuhalten. Dr. Bodo de Vries, Vorstandsvorsitzender des DEVAP, skizzierte dazu die Fakten. Die Eigenbeteiligung der Versicherten in der stationären Pflege sei seit Oktober 2018 bundesweit durchschnittlich um mehr als 110 Euro auf knapp 1930 € im Monat gestiegen. Die notwendigen und zum Teil schon beschlossenen Verbesserungen würden dies weiter in die Höhe treiben. Der demografisch bedingte Anstieg der Pflegebedürftigen von derzeit 3,7 Millionen auf circa 5,4 Millionen im Jahr 2050 werde weitere erhebliche Leistungsausweitungen und Beitragserhöhungen erfordern.

„Der Webfehler in der Pflegeversicherung besteht darin, dass jede Verbesserung durch höhere Eigenanteile direkt vom Nutzer bezahlt werden muss. Steigende Kosten gehen entweder direkt zu Lasten der Pflegebedürften oder, wenn diese nicht dazu in der Lage wären, zu Lasten der Kommunen.“, so de Vries. Er favorisiere einen „Sockel Spitze-Tausch“, der das bisherige System umdrehe und den Pflegebedürftigen nur einen politisch festzulegenden „Sockel-Betrag“ für die Leistungen abverlange und die Pflegeversicherung zu einer echten „Teilkasko-Versicherung“ mache. Dass dies auch finanzpolitisch funktionieren könne, belege eine aktuelle Studie von Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen.

Christian Sundermann, Vorstandsvorsitzender des NEVAP, stimmte dem zu: „Gesellschaftlich gewollte Verbesserungen in der Pflege, wie ein höherer Personalschlüssel und bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte können nicht mehr aus dem bisherigen System geleistet werden!“

„Neu denken“ müsse man auch die bisherige strikte Unterteilung in die Sektoren „ambulant“ und „stationär“, meinte Dr. Bodo de Vries: „Die zentrale Frage für das Leistungsgeschehen darf nicht sein, wo beziehungsweise in welchem Rahmen eine Leistung bezogen wird, sondern wer die Leistungserbringung verantwortlich übernimmt. Dies ist grundsätzlich unabhängig vom Ort des Wohnens.“

Daran knüpfte auch Dunja Wörthmann (Dachstiftung Diakonie) in ihrem Beitrag zur Sozialraumorientierung in der Pflege an. Dieses Konzept löse sich ebenso von der Unterscheidung in ambulante und stationäre Versorgungsformen. Sozialraumorientierung orientiere sich an den Interessen der Adressaten und fördere die Umgestaltung der Wohnquartiere vor Ort. Was in der Jugendhilfe bereits erfolgreich umgesetzt sei, müsse auch in der Altenarbeit Einzug finden, so Wörthmann.

Frank Pipenbrink, Geschäftsführer des NEVAP, begrüßte das Konzept, betonte aber: „Wir müssen vor Ort darauf hinwirken und sollten mitwirken. Die Verantwortung muss aber bei den Kommunen bleiben!“

Ein zweites Werkstattgespräch von DEVAP und NEVAP findet am 12. Februar in Osnabrück statt.